Netto-Null auf dem Prüfstand


Wirtschaftliche Unsicherheiten, lauter werdende Greenwashing-Debatten, Kritik an der Klimakompensation, aber auch die zu wenig konsequente Klimapolitik gefährden die notwendige Dynamik, um die Emissionen genügend schnell zu reduzieren. Wie stellen wir sicher, dass Netto-Null auf der CEO-Agenda bleibt? Welche Rolle können die Klimakompensation und CO2-Entfernung realistischerweise spielen? Diese Fragen standen im Zentrum des fünften CEO4Climate-Erfahrungsaustauschs CEO4Climate Presenting Partner PwC Switzerland.
Community Insights
von CEO4Climate
22.01.2024

Zum Zusammenspiel von CO2-Reduktion, Klimakompensation, CO2-Entfernung (Negativemissionen) und Politik

Fotografien: Karl-Udo Rehm
Weitere Bilder finden Sie am Ende dieses Beitrags.

Community Insights aus dem CEO4Climate-Erfahrungsaustausch

Neben dem vertraulichen Erfahrungsaustausch zu CO2-Entfernung, Klimakompensation, Greenwashing und Science Based Targets, der bei CEO4Climate im Vordergrund steht, lieferten diese Persönlichkeiten Praxiseinblicken und Denkanstössen zur Diskussion:

Andreas Aepli
CFO Climeworks

Cyril Brunner
Klimaforscher ETH Zürich

Laura Meyer
CEO Hotelplan

Christian Plüss
CEO PostAuto

Stefan Rösch
Director Climate Solutions South Pole

Andreas Staubli
CEO PwC Schweiz

Key Community Insights

  • Innerhalb der CEO4Climate-Community ist der Stellenwert des Netto-Null-Themas trotz wirtschaftlichen und geopolitischen Unsicherheiten nach wie vor hoch – während Umfragen zeigen, dass der Klimaschutz in der Gesamtwirtschaft angesichts kurzfristigerer Prioritäten an Bedeutung verloren hat. Dies zeigt, wie zentral die Einbindung des CEO und Formate wie CEO4Climate sind, um die strategische Relevanz hochzuhalten. Auch die regulatorischen Entwicklungen wie die Corporate Sustainability Reporting Directives (CSRD) tragen dazu bei.
  • Die Einbettung von Netto-Null-Fahrplänen in die Unternehmensstrategie ist zentral – so wird die Definition der Massnahmen sowie die Messung des Fortschritts im Prozess sichergestellt – und mit dem Management und dem Verwaltungsrat regelmässig diskutiert.
  • Bevor Unternehmen Klimaschutzzertifikaten kaufen, müssen sie die Emissionen in ihrer eigenen Wertschöpfungsketten so weit wie möglich reduzieren. Bei der Auswahl von Klimaschutzprojekten und der externen Kommunikation von Klimaschutzzertifikaten braucht es viel Fingerspitzengefühl. Externe Unterstützung und Expertise sind dabei hilfreich.
  • Viele Teilnehmende, die sich als Pionier*innen verstehen, wollen auch im Bereich der CO2-Entfernung vorangehen und zur Entwicklung dieses wichtigen Marktes beizutragen. Die Gründe dafür sind vielseitig: Differenzierung am Markt, Mitarbeiter*innenbindung, aber auch die Glaubwürdigkeit des eigenen Netto-Null-Ziels werden genannt.
  • Der Druck von Medien, Kund*innen oder Mitarbeitenden bezüglich Greenwashing-Vorwürfen ist hoch, was mitunter zu viel Zurückhaltung bezüglich interner und externer Kommunikation führen kann (Greenhushing). Dies ist aber nicht im Sinne der klimatauglichen Wirtschaft. Massnahmen sollten jedoch verständlich und belegbar sein und eine gewisse Konsistenz und Nähe zum Kerngeschäft aufweisen.
  • Wissenschaftsbasierte Ziele nach der Science Based Targets initiative werden als anspruchsvoll, aber sinnvoll wahrgenommen. Der Umgang mit den Scope-3-Emissionen – insbesondere die Zielweitergabe an Lieferant*innen und die Datenerhebung – stellen dabei eine grosse Herausforderung dar. Der Hauptbeitrag des CEOs wird darin gesehen, Klimaziele strategisch klar zu verankern.  

CO2-Entfernung: Wie können Unternehmen die Entwicklung dieses Marktes fördern?

CO2-Entfernung wird für die Erreichung des Netto-Null-Ziels bis spätestens 2050 entscheidend sein – auf globaler und nationaler Ebene. Dies im Wissen, dass die Reduktion auch die nächsten Jahrzehnte im Vordergrund stehen muss und die CO2-Entfernung keinerlei Begründung ist, um die Ambitionen zur Reduktion eigener Emissionen einzuschränken.

Community Insights

  • Es herrscht Konsens, dass der Fokus auf die Reduktion der Emission gelegt werden muss. Dies bietet bereits viele Herausforderungen; Investitionsgelder sind beschränkt: In einer Investitionskonkurrenz werden Reduktionsmassnahmen und der Ausbau der erneuerbaren Energien auf absehbare Zeit immer gewinnen.
  • Gleichzeitig gibt es viele Teilnehmende, die sich als Pionier*innen verstehen und auch im Bereich der CO2-Entfernung vorangehen wollen, um zur Entwicklung dieses wichtigen Marktes beizutragen. Die Gründe dafür sind vielseitig: Differenzierung am Markt, Mitarbeiter*innenbindung, aber auch die Glaubwürdigkeit des eigenen Netto-Null-Ziels werden genannt.
  • Viele lassen sich vom Argument überzeugen, dass Anlagen, die heute durch Kund*innen finanziert werden, in der Zukunft ausverkauft sein könnten und dass deshalb bei zusätzlicher, nicht langfristig vereinbarter Nachfrage mit hohen Knappheitspreisen zu rechnen ist. Deshalb kann ein Engagement heute sinnvoll sein, um langfristig die Lieferbarkeit der Zertifikate für das eigene Unternehmen zu sichern.
  • Gerade für KMU braucht es Portfolios (eine Kombination von Ansätzen, die sich bezüglich Preis, Dauerhaftigkeit etc. unterscheiden), die einen einfachen Zugang erlauben. Es wird Aufgabe von Berater*innen oder Verbänden sein, solche Portfolios zusammenzustellen.
  • Für den weiteren Aufbau des Marktes für CO2-Entfernung sind Wissensaufbau, Transparenz und Qualitätskontrollen, der passende regulatorische Rahmen (CO2-Preis, Grenzwerte, Verbote) sowie eine steigende Nachfrage nach Netto-Null-Produkten gefragt.
  • Es zeichnet sich ab, dass jedes Unternehmen, das glaubwürdig ein Netto-Null-Ziel verfolgt, für die nicht vermeidbaren Emissionen (in vielen Fällen 10-20% des Footprints) ein Comittment zur CO2-Entfernung abgeben muss.
  • Um als Unternehmen bereits jetzt zur Marktentwicklung beizutragen, macht es Sinn, ein Budget pro Tonne langfristig nicht vermeidbare Emissionen zu definieren. Beispiel: Unternehmen verfügt über 1’000 Tonnen langfristig nicht vermeidbare Emissionen und der für das Management akzeptable Preis liegt bei 100.– pro Tonne; so können 100’000.– für verschiedenene biologische und technische Projekte budgetiert werden. Ein solches Vorgehen führt zu langfristig tieferen Preisen.
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«Klimakompensation»: Worauf gilt es zu achten, um Wirkung zu erzielen und glaubwürdig zu sein?

Die öffentliche, kritische Debatte bezüglich des Zukaufs von Klimazertifikaten hat sich in den letzten Monaten akzentuiert. Diskutiert wurde, welchen Stellenwert Klimazertifikate generell bei der Umsetzung mittelfristiger Klimaziele spielen und in Zukunft einnehmen sollen/werden.

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  • Bei der Diskussion rund um den Zukauf von Klimazertifikaten stellen sich einige Herausforderungen – insbesondere, ob Emissionen durch Zertifikate egalisiert werden sollen, wie die Qualität der Zertifikate sichergestellt werden kann und wie die Anstrengungen auch extern kommuniziert werden sollen.
  • Klar ist, dass unternehmensinterne Massnahmen gegenüber externen Kompensationen zu bevorzugen sind. Sie sind auch klarer kontrollierbar und führen zu direkten Emissionseinsparungen. Diese Investitionen lohnen sich meistens auch finanziell stärker.
  • Für Unternehmen, die nicht vermeidbare Emissionen durch den Zukauf von Klimazertifikaten kompensieren möchten, ist es derzeit schwierig, sich im Markt zurecht zu finden. Die Qualitätsunterschiede der Projekte sind hoch. Eine höhere Transparenz im Markt für Klimazertifikate ist gewünscht. Ratingplattformen wie zum Beispiel Calyx Global sind in Entwicklung und wirden helfen, die Qualität von Zertifikaten besser einzuschätzen. Klare Qualitätskriterien über eine Regulierung würden der Glaubwürdigkeit helfen und den Käufer*innen mehr Sicherheit bieten. Momentan wird empfohlen, die lokalen Partner*innen gewissenhaft zu überprüfen und nach Bedarf externe Expertise einzuholen.
  • Bei der Kommunikation des Zukaufs von Klimazertifikaten ist Fingerspitzengefühl gefragt – Bescheidenheit kann helfen. Empfohlen wird, «Kompensation» im Wording wegzulassen. Das hilft in der Akzeptanz und der Ehrlichkeit. Klimaschutzprojekte können auch umgesetzt werden, ohne dass man diese aktiv kommuniziert. Lieber soll kommunikativ auf die eigenen, unternehmensinternen Massnahmen fokussiert werden.
  • Die Kritik der letzten Monate führte zu einer Bereinigung in der Branche – das betraf die Qualität der Projekte aber auch die Anbieter*innen angeht. Erwartet wird eine ähnliche Bereinigung des Marktes bei Carbon Removals in den nächsten Jahren.
Weitere Informationen:
Ratingplattformen zur Transparenzsteigerung, zum Beispiel

Greenwashing & Greenhushing: Kommunizieren und inspirieren, ohne zu beschönigen?

Unternehmen stehen bei der Nachhaltigkeitskommunikation vermehrt in der Kritik. Dies geht bereits so weit, dass Unternehmen – aus Angst vor Greenwashing-Vorwürfen – von einer aktiven Kommunikation absehen. Wie kommunizieren Unternehmen richtig und welche Rolle spielt dabei der CEO?

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  • Der Druck von Medien, Kund*innen oder Mitarbeitenden bezüglich Greenwashing-Vorwürfe ist hoch, was sich mitunter zu einer Resignation bezüglich interner und externer Kommunikation bewirken kannn. Gleichzeitig ist die Kommunikation zentral, damit Kund*innen, Lieferant*innen und Mitarbeitende weiter sensibilisiert werden und die Vorreiterunternehmen auch andere inspirieren.
  • Ambitionen und Massnahmen zu Netto-Null-Zielen müssen einfach verständlich und klar belegbar sein. Zielgruppenorientierung zum Verständnis von Bedürfnissen und Lösungen ist dabei zentral. Es gibt Einwände, dass Klimaschutzzertifikate, die nicht zur Kompensation, sondern für Klimaschutzbeiträge genutzt werden («Impact Claims») schwierig zu vermitteln sind.
  • Massnahmen müssen Hand und Fuss haben. Insbesondere können Konsistenz und Nähe zum Kerngeschäft (gegebenenfalls auch geografisch) für mehr Glaubwürdigkeit sorgen. Eine allzu technische Kommunikation kann zu Unverständnis (und Frustration) führen; eine fassbare, emotionale oder personifizierte Geschichte zu erzählen, ist oft wirksamer.
  • Wichtig scheint, dass nicht alles kommuniziert werden muss – weniger ist oft mehr.
  • Mitarbeitende sind zugleich wesentliche Stakeholder und Botschafter*innen für glaubwürdige Nachhaltigkeitskommunikation. Ihre Haltung und Meinung zu Nachhaltigkeitsprojekten ist erfolgskritisch; sie sollten daher früh eingebunden und sensibilisiert werden, um das Engagement des Unternehmens nach innen und aussen aktiv und authentisch zu vertreten. Dies wirkt sich auch positiv auf die Attraktivität und Reputation des Arbeitgebers aus – entscheidende Erfolgskriterien in Zeiten des Fachkräftemangels («War for Talents»).
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Science Based Targets initiative

Ziele nach der Science Based Target Initiative (SBTi) sind anspruchsvoll, gelten aber gleichzeitig auch als besonders glaubwürdig. Diskutiert wurden Erfahrungen mit diesem Standard insbesondere auch bezüglich der Zielerreichung und den Herausforderungen der Integration von Lieferant*innen.

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  • Ein Grossteil der CEO4Climate-Unternehmen weisen zumindest ihre direkten Emissionen (Scope 1 und Scope 2) aus. CEO4Climate-Unternehmen mit SBTi-Zielen nehmen zu. Besonders für schnell wachsende Unternehmen stellt die Erreichung von SBTi-Zielen jedoch eine Herausforderung dar.
  • Die meisten Unternehmen weisen im Bereich Scope 3 den grössten Hebel auf. Emissionsreduktionen in Scope 1 und 2 gelten schon fast als trivial; ohne einen glaubwürdigen und damit machbaren Umgang mit Scope-3-Emissionen besteht die Gefahr des Greenwashings. Die Datenerhebung bei Lieferant*innen weist jedoch eine hohe Komplexität auf.
  • Es besteht ein gewisses Risiko, dass nach SBTi gesetzte Ziele nicht eingehalten werden (können) und es daher in den nächsten Jahren zu einem (weiteren) Austritt von Unternehmen kommen könnte. Dies wirkt hemmend für neue Unternehmen, um überhaupt einzusteigen.
  • Der Hauptbeitrag des CEOs wird darin gesehen, das Thema ins Zentrum der Unternehmensstrategie zu stellen und klare Ziele (auch: Zwischenziele und Ziele für Lieferant*innen) zu setzen. Diesbezüglich sollte der Impuls auch noch stärker vom Verwaltungsrat initiiert werden, denn momentan kommen die stärksten Signale von Seiten der Kapitalgeber*innen.
  • In der Konsequenz soll sich eine Strategie beispielsweise an der EU-Taxonomie orientieren, was zum Teil zu einem tiefgreifenden Umbau des Unternehmens führt (Beispiel einer Ingenieur-Firma, die in der Folge aus dem Kohle-Engineering aussteigt). Es lohnt sich, diese Transformation frühzeitig einzuleiten.
  • Zentral scheint, dass der Weg in Richtung Netto-Null gegangen wird. Die Komplexität und Detailfragen sollen uns nicht entmutigen. Denn wer genügend früh beginnt, wird ausreichend Zeit für die Transformation haben und letztlich zu den Gewinner*innen gehören.
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swisscleantech bietet gerne Orientierung von SBTi-Zielen