Netto-Null geht nur gemeinsam – Wie Real- und Finanzwirtschaft zusammenspielen müssen


Seit sich die Schweiz mit der Annahme des Klimaschutzgesetzes gesetzlich zu Netto-Null verpflichtet hat, kann sie nun aufzeigen, wie Klimaschutz, Wohlstand und Lebensqualität einhergehen. Unabdingbar ist dabei eine enge Zusammenarbeit von Realwirtschaft und Finanzwirtschaft, denn hinter dem Netto-Null-Ziel steht eine umfassende Transformation der Wirtschaft, die sowohl erhebliche Investitionen erfordert als auch zahlreiche Chancen eröffnet.
Community Insights
von CEO4Climate
26.08.2024

Dieses Zusammenspiel stand im Zentrum der Diskussionen am sechsten CEO4Climate-Erfahrungsaustausch, der in Zusammenarbeit mit der Zürcher Kantonalbank stattfand.  

Vor dem vertraulichen Erfahrungsaustausch lieferten diese Persönlichkeiten Praxiseinblicke und Denkanstösse:

Gustav Baldinger
PwC

Urs Baumann
Zürcher Kantonalbank

Juan Beer
Zurich Versicherung

Norbert Rücker
energiecluster

Antonios Koumbarakis
PwC

Julia Meyer
ZHAW

Heini Dändliker
Zürcher Kantonalbank


Fotografien: Patrik Fuchs
Weitere Bilder finden Sie am Ende dieses Beitrags.

Key Community Insights des Erfahrungsaustauschs

  • Den Anforderungen der neuen Reporting Standards (primär CSRD – Corporate Sustainability Reporting Directive) kommt künftig eine hohe Bedeutung zu, da sie Finanzierungskonditionen von Unternehmen mittelfristig prägen werden.
  • Mit den zunehmenden Reporting-Pflichten werden auch immer mehr Daten erhoben; diese Daten werden aber häufig inneffektiv genutzt, was zu falscher Ressourcenverteilung führen kann und unter Umständen Umsetzung von Massnahmen zur Dekarbonisierung verlangsamt. Der hohe Initialaufwand für das Reporting dürfte im Laufe der Zeit durch technologische Fortschritte – insbesondere durch KI – jedoch sinken. Es ist entscheidend, Reporting zu Nachhaltigkeitsaspekten als Teil einer umfassenden Transformation zu betrachten und die Chancen für eine systematische Transformation in den Vordergrund zu stellen.
  • Die Einführung gemeinsamer Nachhaltigkeits-Mindeststandards für die Kreditvergabe – unterstützt von allen Finanzinstituten und politisch abgesichert – könnte die Erreichung des Netto-Null-Ziels erheblich beschleunigen.
  • Auch aus Sicht der Finanzwirtschaft ist Nachhaltigkeit ein wichtiger Differenzierungsfaktor. Beratungsangebote von Banken und Versicherungen im Thema Klima und Nachhaltigkeit für ihre Firmenkund*innen sind ein wichtiger Hebel. Die bestehenden Angebote sind oft noch zu wenig bekannt.
  • Versicherungen können als Risikoexpert*innen die Erreichung des Netto-Null-Ziels beschleunigen, insbesondere bei natur- und klimabedingten Risiken. Die Beratung soll dabei im Vordergrund stehen.
  • Im Hypothekarmarkt besteht für die Banken und Versicherungen ein nach vor grosses, ungenutztes Potential, mit entsprechenden Angeboten die Entwicklung in Richtung Netto-Null des Gebäudebereichs zu beschleunigen.

Im Zentrum des Events standen vier Breakout Sessions:

Rollenverständnis zwischen Banken und Realwirtschaft

Welche Erfahrungen haben die Teilnehmenden bis anhin mit Banken bezüglich Klimaschutz (oder Nachhaltigkeit allgemein) gesammelt? Ist das Thema Teil der Kund*innenbeziehung? Welches sind die gegenseitigen Erwartungen, um Netto-Null umzusetzen?

Community Insights

  • Die Vertreter*innen der Finanzwirtschaft betrachten Nachhaltigkeit als wichtigen Differenzierungsfaktor. Eine Herausforderung ist, dass viele Unternehmen viel Zeit und Ressourcen benötigen, um die notwendige Datentransparenz für die Bankkriterien zu erreichen. Unterstützungsangebote sind entsprechend sehr gefragt. Banken können mit Beratungsangeboten einen Unterschied machen: Kooperationen mit Organisationen wie Reffnet können beispielsweise die Erfüllung der Nachhaltigkeitskriterien und damit die Kreditvergabe erleichtern. Auch die Promotion von Tools – die es insbesondere KMU erlauben, ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten zu  mit der Konkurrenz zu vergleichen – sind ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal für Banken, um sich bei Firmenkund*innen zu profilieren. 
  • Die Geschäftsmodelle der Finanzinstitute im Kreditgeschäft unterscheiden sich oft stark. Nur wenige vergeben Kredite ausschließlich für nachhaltige Projekte mit Fokus auf den «Triple Impact» (People, Planet, Profit). Viele Banken handeln trotz Nachhaltigkeitsstrategien gerade im Kreditgeschäft nach wie vor ohne gründliche Prüfung auf Nachhaltigkeit und priorisieren renditestarke Projekte, insbesondere im traditionell geprägten Bausektor. Diese ist zumindest die Wahrnehmung vieler vertreter*innen der Realwirtschaft.
  • Bei privaten Investor*innen und Family Offices ist das Engagement für nachhaltige Projekte – und damit die Bereitschaft, Netto-Null-Transitionsprojekte zu finanzieren – grösser, weil sie langfristiger und wert(e)orientierter denken und handeln können.
  • Grossunternehmen sollen in der Erreichung ihres Netto-Null-Ziels vorangehen und so positiven Druck auf Liefer- und Wertschöpfungsketten ausüben. Indem sie Netto-Null-Orientierung, Standards und Best Practices vorleben, können sie den Strukturwandel vorantreiben und KMU mitziehen.

Rollenverständnis zwischen Versicherungen und Realwirtschaft

Welche Erfahrungen haben die Teilnehmenden bis anhin mit Versicherungen bezüglich Klimaschutz (oder Nachhaltigkeit allgemein) gesammelt? Beim wem ist das Thema Teil der Kund*innenbeziehung? Welches sind die gegenseitigen Erwartungen, um Netto-Null umzusetzen?

Community Insights

  • Versicherungen haben das Potenzial, die Erreichung unternehmerischer Netto-Null-Ziele zu beschleunigen. Als Risikoexpert*innen mit einer umfassenden und langfristigen Outside-In-Perspektive sind sie gut gerüstet, um Unternehmen bei ihrem Engagement um die Netto-Null-Transition zu unterstützen, insbesondere bei natur- und klimabedingten Risiken sowie deren Minderung. Die Beratung sollte im Vordergrund stehen.
  • Frühzeitiger und direkter Austausch zwischen Unternehmen und Versicherungen ist entscheidend, um Risiken transparent zu besprechen und bestenfalls zu minimieren, insbesondere für Grosskund*innen; kleine und mittelgroße Unternehmen nutzen oft Broker.
  • Das Risikoverständnis ist eine Grundvoraussetzung zur Entwicklung von Transitionsplänen. Direkte Gespräche mit Unternehmen fördern das Risikoverständnis bei Grossprojekten, was es der Versicherungsindustrie ermöglicht, Transitionspläne für Netto-Null durch neue Produkte und Dienstleistungen aktiv zu unterstützen. Gegenseitige Transparenz und frühzeitige Mitigationsmassnahmen sind essentiell, um Projektrisiken in der Planung versichern zu können.
  • Der Investitionsbedarf für die Netto-Null-Transition und für die Skalierung von CO2-Reduktionstechnologien ist enorm; Green Bonds und Public-Private Partnerships bieten Ansätze zur Finanzierung nachhaltiger Projekte und zur Förderung von Risikomanagementstrategien, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen.
  • Zunehmende Hitze und Naturgefahren wie Überschwemmungen oder Stürme führen zu Betriebsunterbrüchen und hohen Kosten. Großunternehmen profitieren von Beratungsangeboten zum Risikomanagement von Naturgefahren. Eine Skalierung dieser Angebote ist insbesondere für kleine und mittlere Betriebe wichtig, damit auch Risiken in der Lieferkette besser abgefedert werden können.

Produkte und Angebote der Finanzwirtschaft, um Anreize für Realwirtschaft in Richtung Netto-Null zu setzen

Wo liegen die grössten Herausforderungen der Unternehmen bezüglich Investitionen in klimafreundliche Projekte der Realwirtschaft? Inwieweit kann die Finanzwirtschaft zur Lösung beitragen? Welche Ansätze haben Wirkung und sollten skaliert werden?

Community Insights

  • Finanzinstitute bieten bereits verschiedene Finanzprodukte an, die darauf ausgelegt sind, die Transition in Richtung Netto-Null zu beschleunigen, beispielsweise Sustainability Linked Loans, spezielle Energie Hypotheken oder Green Bonds. Als Hindernis zur Skalierung wird beispielsweiseeine mangelnde Identifikation der Bankberater*innen mit den Produkten identifiziert – aber auch mangelndes Wissen um solche Angebote auf Kund*innenseite. Insbesondere der Hypothekenmarkt hat ein grosses Potenzial.  Hier sollten die Banken und Versicherungen einen Schwerpunkt ihres Engagements legen.
  • Das Bewusstsein, dass Banken und Versicherungen die Realwirtschaft bei der Erreichung von Netto-Null-Zielen unterstützen können, ist wenig ausgeprägt. Es wäre jedoch voreilig zu behaupten, dass die Finanzierung keine Herausforderungen mit sich bringt. Derzeit haben nur rund 200 von 600’000 Unternehmen einen mit der Science Based Targets Initiative (SBTi) kompatiblen Absenkpfad entwickelt, was die Notwendigkeit umfassender Informationsvermittlung unterstreicht.
  • Dekarbonisierungspläne (Transitionpläne) – aus der Realwirtschaft wie aus der Finanzwirtschaft – werden die Finanzierung und das Risikomanagement von Unternehmen entscheidend prägen, wobei externe Rahmenbedingungen – wie etwa CO2-Preise – die Dekarbonisierung der Wirtschaft unterstützen werden.

Transparenz & Reporting als Grundlage für die Kooperation zwischen Real- und Finanzwirtschaft

Wie weit prägen die Regulation und Transparenzvorschriften das Zusammenspiel zwischen Real- und Finanzwirtschaft? Bringen uns die stetigen Verschärfungen der Berichterstattungspflichten effektiv voran – oder verursachen sie primär Aufwand?

Community Insights

  • Ein zentrales Problem der wachsenden Reporting-Pflichten besteht darin, dass Daten gesammelt werden, diese aber oft nicht in konkreten Massnahmen oder relevanten Erkenntnissen münden. Interne Ressourcen werden so nicht zielführend eingesetzt, ichre Arbeit erschöpft sich zu stark darin, den Transparenzanforderungen zu genügen. Die effektive Wirkung der Klimaschutzmassnahmen kann darunter leiden.
  • Der hohe Initialaufwand dürfte im Laufe der Zeit durch technologische Fortschritte – insbesondere durch KI – sinken. Es ist entscheidend, Reporting zu Nachhaltigkeitsaspekten als Teil einer umfassenden Transformation zu betrachten und die Chancen für eine systematische Transformation in den Vordergrund zu stellen.
  • Es ist hilfreich, das Reporting zu Nachhaltigkeitsaspekten als Fundament einer umfassenden Transformation zu betrachten, die Zeit und innovative Lösungen erfordert. Solche großen Veränderungen benötigen Geduld und strategische Planung. Es ist entscheidend, dass die ESG-Berichterstattung dieselbe Bedeutung erhält wie die Finanzberichterstattung – Beide tragen entscheidend zum unternehmerischen Erfolg bei..
  • Zur Reduktion des Gesamtaufwandes lohnt es sich in eine gründliche Wesentlichkeitsanalyse investieren, um nur relevante Daten zu erfassen und den Aufwand zu minimieren; gleichermassen lohnt es sich – trotz unvollständiger Datengrundlage – mutig zu starten, um rechtzeitig handlungsfähig zu sein.

Weitere Informationen:
PwC-Insight zur Angleichung an europäische Anforderungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD)