Tech for Net Zero – CEO4Climate-Briefing mit der ETH Zürich


Als CEO oder Geschäftsführer*in im Thema Klimaschutz voranzugehen, ist oft mit Investitionsentscheiden verbunden. Ein Wissen rund um innovative, für die Umsetzung von Netto-Null wichtige Technologien ist dafür essenziell – auch, um die richtigen Fragen zu stellen. swisscleantech, der Wirtschaftsverband hinter CEO4Climate, arbeitet seit seiner Gründung mit der ETH Zürich zusammen. Aus dieser Kooperation ist die Idee eines Technologie-Briefings für die CEO4Climate-Mitwirkenden entstanden.
Community Insights
von CEO4Climate
05.12.2024

Beim Anlass vom 3. Dezember stand deshalb für einmal der Dialog mit der Wissenschaft im Vordergrund. Renommierte Expert*innen der ETH Zürich zeigten auf, wie es um das Potential verschiedener Technologien steht und welche Entwicklungen zu erwarten sind – aber auch, wo Grenzen liegen und Unsicherheiten bestehen.

Die mehr als 50 anwesenden CEO4Climate Mitwirkenden schätzten die Möglichkeit zum direkten Austausch mit führenden Wissenschaftlern sehr – viele Teilnehmende betonten das Bedürfnis, mehr Orientierung dazu zu erhalten, was technisch möglich sei und was nicht.

Reto Knutti von der ETH Zürich brachte es prägnant auf den Punkt: «Wir haben in der Schweiz kein Wissensproblem, wir haben kein Technologieproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem.» CEO4Climate trägt dazu bei, dieses anzugehen.

Fotografie und Videografie: Valentin Müller
Weitere Bilder finden Sie am Ende dieses Beitrags.

Key Community Insights des Erfahrungsaustauschs

  • Die Erreichung des Netto-Null-Ziels ist aus klimawissenschaftlicher Sicht absolut zentral.
  • Die Umsetzung von Netto-Null bei gleichzeitiger Sicherstellung der Versorgungssicherheit und einer wirtschaftlichen Energieversorgung ist aus Sicht der ETH möglich. 
  • Die Schweiz hat aus Sicht der ETH-Expert*innen das Potential, im Klimaschutz ein Vorbild für andere Länder zu sein und wirtschaftlich von einer Vorreiterrolle zu profitieren.
  • Die behandelten Themenfelder Speicherung, Lernkurven neuer Technologien, Dekarbonisierung der Industrie, Kreislaufwirtschaft, CO2-Entfernung und künstliche Intelligenz sind alle entscheidend, dass Netto-Null umgesetzt werden kann.
  • Der Dialog zwischen Wirtschaft und Wissenschaft entspricht einem grossen Bedürfnis, da viele Unternehmensvertreter*innen Orientierung und Klarheit bezüglich des Potentials neuer Technologien suchen. Halbwahrheiten, die regelmässig medial aufgegriffen werden, verunsichern.

Verlässliche Stromversorgung und Speicherung

Zum Zusammenspiel von erneuerbaren Energien, Speichern und zur Rolle von Wasserstoff

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Die Dekarbonisierung führt zu einem deutlich höheren Stromverbrauch, da die Wärmeversorgung, der Verkehr und wichtige Bereiche der industriellen Prozesse elektrifiziert werden. Verschiedene Studien der ETH zeigen aber, dass dieser zusätzliche Strombedarf verlässlich und darüber hinaus wirtschaftlich gedeckt werden kann – auch in Wintermonaten. Wichtige Faktoren dafür sind aus Sicht der ETH:

  • Flexibilität ermöglichen und vorschreiben (Tarife etc.)
  • Innovation ermöglichen (von der Marktöffnung bis zur Endkund*in)
  • Investitionen fördern (sicheres Umfeld, effiziente Verfahren, klare Kommunikation) und damit den Ausbau beschleunigen
  • Internationale Einbindung effektiv und effizient sicherstellen

Executive Director Energy Sciences Center ETH Zürich

Lernkurven neuer Technologien

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Unternehmen stehen vor der herausfordernden Entscheidung, in welche Technologien sie auf ihrem Weg zu Netto-Null investieren sollten. Dabei bleibt die zukünftige Preisentwicklung der Technologien ungewiss, ebenso die Frage, welche Technologien sich langfristig durchsetzen werden. Die Forschungsresulate von Tobias Schmidt weisen darauf hin, dass die Lernkurven von Technologien – also der Prozess, durch welchen Technologien im Laufe der Zeit effizienter und kostengünstiger werden – von der Komplexität der jeweiligen Technologie und ihrem Grad der Standardisierbarkeit abhängen. Daher ist es für Unternehmen ratsam, auf möglichst einfache und massentaugliche Technologien zu setzen.

Professor and Director of the Institute of Science, Technology and Policy ETH Zürich

Dekarbonisierung der Industrie

Künftige technologische Entwicklungen und Herausforderungen

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Die Dekarbonisierung der Industrie ist anspruchsvoll, weil heute viele Anwendungen im Bereich der Hochtemperatur-Prozesse mit Gas betrieben werden. Gleichzeitig haben Wärmepumpen ein enormes Potential: Bereits heute sind Wärmepumpen verfügbar, die bis zu 160° Wärme produzieren. Die Forschung arbeitet zudem an Pumpen, die Wärme mit bis zu 200°C produzieren können. Eine stärkere Standardisierung wird die entsprechenden Kosten weiter senken. In Kombination mit Kühlung entstehen so ganz neue Möglichkeiten mit hoher Flexibilität.

Synthetische Brennstoffe (inklusive Wasserstoff) sollen aufgrund des tiefen Wirkungsgrads in der Gesamtbilanz (eingesparte Tonne CO2 pro MWh Energie) nur eingesetzt werden, wo es keine Alternativen gibt und keine direkte Elektrifizierung möglich ist. In vielen Fällen kann Direct Air Capture sogar effizienter sein. Sprich: Es ist energieeffizienter, mit fossilen Treibstoffen eine Anwendung zu betreiben und Carbon Capture einzusetzen, als direkt Synthetic Fuels zu nutzen.

Ein weiterer relevanter Hebel für die Dekarbonisierung der Industrie liegt in Auswahl der richtigen Lieferanten. Beim Einsatz von Polypropylenen (Kunststoff) liegen die Unterschiede bezüglich der Emissionen je nach Produzent bei bis zu 90%. Diese Daten stehen heute jedoch nicht in ausreichender Form zur Verfügung. Es gibt jedoch Ansätze von Start-ups und der Politik (Beispiel: Product Footprint in der EU), um die entsprechende Datentransparenz zu erhöhen.

Professor ETH Zürich

CO2-Entfernung

Welche Ansätze haben wirklich Skalierungspotential?

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Klar ist, dass CO2-Entfernung entscheidend ist, damit Netto-Null erreicht werden kann. Gleichzeitig ist es wichtig, nochmals zu betonen, dass die Emissionsreduktion im Fokus stehen muss. Einerseits, weil diese in den allermeisten Fällen wirtschaftlicher ist, andererseits weil das Potential der CO2-Entfernung auch beschränkt ist. Unternehmen, die ein Netto-Null Ziel verfolgen, können durch Investments in heute noch teure Technologien einen wichtigen Beitrag zur Skalierung leisten und damit auch ihre eigene Glaubwürdigkeit stärken. Für die Schweiz ist dieser neue und stark wachsende Wirtschaftszweig im Bereich der CO2-Entfernung zudem auch eine grosse Chance. 8.8% der weltweiten Arbeitsplätze im Bereich CO2-Entfernung sind bereits heute in Schweiz angesiedelt.

Klimawissenschafter ETH Zürich

Künstliche Intelligenz als Hebel für Netto-Null

Wie KI zur beschleunigten Erreichung von Netto-Null-Zielen beitragen kann

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Künstliche Intelligenz ist nicht nur ein Treiber des Stromverbrauchs, sondern auch eine Technologie, die zahlreiche neue Möglichkeiten bietet, um CO2 einzusparen. Accenture und swisscleantech haben deshalb gemeinsam ein Whitepaper erarbeitet, in welchem aufgezeigt wird, wie KI konkret zu Erreichung von Klimazielen beitragen kann. Dazu gehören die Vereinfachung der Datenerfassung für das Reporting, die Steuerung von Gebäuden oder der Dialog mit Mitarbeitenden zu Nachhaltigkeitsthemen über Chatbots.

Die Diskussion mit den Teilnehmenden der Breakout Session hat gezeigt, dass der Einsatz von KI auf ein grosses Interesse stösst und Potential mit sich bringt; die grossen Hebel – wie die Elektrifizierung der Flotte oder der Ersatz fossiler Heizsysteme – aber trotz allem zuerst angegangen werden sollten.

Co-Geschäftsführer swisscleantech

Technologien zur Etablierung der Kreislaufwirtschaft

Internet der Dinge, additive Fertigung, Recycling-Technologien – Stand und Potential

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Die Kreislaufwirtschaft verspricht nicht nur grosse Potentiale zur Reduktion von CO2-Emissionen – sie ist auch entscheidend, damit das Netto-Null-Ziel erreicht werden kann. Viele zentrale Technologien, welche kreislauffähige Businessmodelle unterstützen, – sind bereits heute verfügbar, aber oft noch zu wenig im Einsatz – beispielsweise das Internet der Dinge, die additive Fertigung respektive der 3D Druck, aber auch Digital Twins oder neue Recycling-Ansätze.

Auch regulatorisch hat sich mit dem Umweltschutz-Gesetz, welches zumindest teilweise ab anfangs 2025 in Kraft tritt, einiges getan – es wird beispielweise einfacher, Branchenlösungen im Bereich der Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Trotzdem gibt es immer noch viele regulatorische Hürden, dazu gehört der Handlungsbedarf im Bereich der Bepreisung von Externalitäten. Unternehmen sollten trotzdem nicht auf die Regulierung warten, sondern bereits neue Technologien einsetzen und aktiv Rahmenbedingungen mitgestalten (beispielsweise über Verbände wie swisscleantech).

Leiter Institute of Product Development and Production Technologies ZHAW